von [Willi Bernhart]
dargeboten von der Schauspielerin Svetlana Gergova und dem Schauspieler Walter Prettenhofer
Regie: [Willi Bernhart]
Raum und Licht: [Igor Leschenko]
Ton: Helli Essl, [Michael Labres]
Assistenz: [Christian Ruck], [Verena Weiss]
DarstellerIn: [Svetlana Gergova], [Walter Prettenhofer]

 

Im Mondlicht sehen
die Vogelscheuchen wie Menschen aus -
erbarmenswert
Shiki

  “Ich zögere niemals bei meinen Entscheidungen, und da ich immer gewiß bin, das Vergnügen in dem zu finden, was ich tue, wird nach meinen Prinzipien niemals die Reue den starken Reiz abstumpfen, weil ich mir diese Prinzipien schon in frühester Jugend gebildet habe und stets konsequent nach ihnen handle. Sie ließen mich die Leere und Nichtigkeit der Tugend erkennen, die ich hasse und zu der man mich nie zurückkehren sehen wird. Sie haben mich überzeugt, daß das Laster nur besteht, um den Mann diese geistige und physische Beschwingung fühlen zu lassen, die eine Quelle der köstlichsten Wollüste ist. Und ich gebe mich ihr hin, ich habe mich zur rechten Zeit über die Chimären der Religion hinweggesetzt, vollkommen davon überzeugt, daß die Existenz eines Schöpfers die empörende Absurdität ist, an die selbst Kinder nicht mehr glauben. Ich habe kein Bedürfnis, meine Gelüste zu bekämpfen, um dem Schöpfer zu gefallen; es ist die Natur, von der ich meine Neigungen emfangen habe, und ich werde sie nicht verwirren, indem ich ihr widerstrebe, wenn sie mir schlechte Neigungen gegeben hat, die so geworden sind, weil es für ihre Absichten nötig war. Ich bin in ihrer Hand nur eine Maschine, die sich nach ihrem Belieben bewegt, und jedes meiner Verbrechen dient ihr; je mehr Verbrechen sie mir rät, desto mehr hat sie offenbar nötig, ich wäre ein Dummkopf, ihr darin zu widerstreben.“
aus: Marquis de Sade: Einleitung zu “Die Hundertzwanzig Tage von Sodom oder die Schule der Ausschweifung“

 

Was führt einen Künstler dazu, sich mit de Sades Beschreibungen der ungeheuerlichsten Perversionen, Foltern und Qualen auseinandersetzen?
Was führt einen Künstler dazu, diese auch noch zu einem Theaterstück zu konzentrieren?
Ist es die geheime Befriedigung nie zugelassener Lüste und Wünsche?
Ist es das Spekulieren mit dem Voyeurismus eines sensationsgeilen und gleichzeitig -gesättigten Publikums?
Schaut unsere Welt nicht trostlos genug aus, daß wir uns auch noch die kranken Phantasien eines Herrn de Sade reinziehen müssen?

 

ZUM INHALT:

Eine - moderne - Frauenfigur, unterstützt von einem Diener/Künstler, tastet sich durch das Labyrinth der „Ausschweifungen“ von De Sade.

ZUR FIGUR:

Die Frau, eine „riesenhafte“ Figur, ist Bernharts erste dezidiert „dunkle“ Frauenfigur, eine Antipode zu Hildegard von Bingen (in Willi Bernharts „DIALOGE MIT GOTT“). Verkörperte letztere die Untiefen des Himmels, so kann man von der De-Sade-Frau durchaus von einer „Höllenfrau“ sprechen. Gleiches gilt auch für die Figur des Dieners/Künstlers in Bernharts DE SADE-Fraktat.

Was muß eine Schauspielerin/ein Schauspieler leisten, um die Urgewalt des De Sade-Materials auszuloten ohne Zuhilfenahme von peinlichem Naturalismus?
Wie kommt man/frau überhaupt den von De Sade beschriebenen Ungeheuerlichkeiten bei?
Was darf man in der Öffentlichkeit überhaupt von sich geben? Gibt es eine moralisch-ethische Grenze, die ein Theater nicht überschreiten sollte?
Ist Marquis de Sade ein Tabubruch?
Welche poetischen Bilder sind überhaupt imstande, dieses Material zu transportieren?

ZUR THEATRALISCHEN UMSETZUNG:

Die Erforschung der Darstellungs- und Mitteilungsmöglichkeiten von „Ungeheuerlichkeiten“ werden zentraler Bestandteil dieses Stücks. Um das Textmaterial sich entfalten zu lassen, wird ein Höchstmaß an Schlichtheit in der Komposition des Stückes und in der Darstellung gefordert sein. Formal wird es sich um eine Art szenische Versuchsanordnung, um eine theatralische Testreihe handeln.

„De Sade ist einer unserer großen Dichter. Wir sollten seiner Schonungslosigkeit, Radikalität und Ehrlichkeit mehr Ehre zollen und mehr Aufmerksamkeit widmen.“ Willi Bernhart